„Ihr habt unglaubliches Glück, dass ihr so viele Tiere sehen könnt. Pachamama (Mutter Erde) meint es gut mit euch.“ Diese Sätze bekamen wir während unseren 4 Tage im Dschungel sehr oft von unserem Guide Raul zu hören. Er hatte Recht. Natürlich wollten wir so viele Tiere wie nur möglich sehen, aber nicht um jeden Preis. Tiere in Käfigen oder sogar extra eingekauft und ausgesetzt, nur für Touristen, undenkbar für uns. Dass es aber so viele schöne Erlebnisse und Begegnungen geben wird, hätten wir uns beim besten Willen selbst nicht gedacht. 4 Tage sind wir in Gummistiefeln durch den Amazonas gestapft, bei Tag und auch bei Nacht. Teilweise auf Trampelpfaden, manchmal auch ganz ohne vorgegebene Wege. Wir steckten bis zu den Knien im Schlamm und balancierten auf Baumstämmen über Pfützen und Flüsse, in denen unter anderem Schlangen leben, hatten eine Vogelspinne als „Haustier“... Ein unvergessliches Abenteuer...
Tag 1
Nach einer 2-stündigen und 97 km langen Fahrt mit einem Speedboot auf dem Amazonas und einer anschließenden halbstündigen Wanderung durch den tropischen Dschungel waren wir da. Die Chullachaqui Eco Lodge liegt mitten im tropischen Regenwald und wurde für uns zum Ausgangspunkt unseres Abenteuers. In der Lodge gibt es keinen Strom, ausschließlich ein kleiner Generator, der für zwei Stunden am Tag läuft, ermöglicht das Aufladen von Batterien, Handys, etc. Das Wasser zum Duschen kommt aus einem Brunnen. Nicht nur das zeigte uns, dass die Chullachaqui Eco Lodge für nachhaltigen Tourismus steht. Genauso hatten wir uns das gewünscht.
Mit Gummistiefeln, langer Kleidung und viel Mückenspray ging es los zur Nachtwanderung. Auf Trampelpfaden, begleitet von gefühlt tausenden Mücken, durchquerten wir den Dschungel. „Die Mücken freuen sich sehr über mehr Touristen im Amazonas“.
Wir steckten bis zu den Knien im Schlamm, aus dem wir uns manchmal nur zu zweit befreien konnten. Aber es war die Mühe wert... Wir sahen zwei kleine Schlangen, riesige Frösche (so groß wie ein Fußball und für Menschen sogar tödlich), Vogelspinnen, ein Baby-Opossum und hörten den Dschungel bei Nacht.
Tag 2
Um fünf Uhr morgens begann unser Tag. Den Regenwald bewohnt eine schillernde Schar unterschiedlicher Vögel, die uns zwitschernd und laut schreiend begreifen ließen, wo wir eigentlich waren. Mit einem Kanu streiften wir ganz leise durch den Rio Tapira, einem Nebenfluss des Amazonas und bewunderten bei aufgehender Sonne die aufwachende Natur.
Nach dem Frühstück machten wir uns auf zu einer Tageswanderung. Wir sahen neugierige Affen (2. Reihe, rechts), drei Faultiere (3. Reihe, links), die so gut getarnt waren, dass wir sie ohne unseren Guide niemals entdeckt hätten, und Leguane.
Zwischen den Touren war immer genug Zeit für ein Päuschen in der Hängematte mit atemberaubenden Dschungelgeräuschen.
Am Nachmittag fuhren wir mit einem Holzkanu zum Amazonas um graue und pinke Amazonasdelfine zu sehen. Diese sind zwei bis drei Meter lang. Ihre Farbe verändert sich mit dem Alter: Jungtiere sind silbergrau, ältere Amazonasdelfine werden pink.
Roman war dann sogar im Amazonas schwimmen, Theresa wollte diesen Delfinen lieber nicht zu nahe kommen. Warum? Bitte Google-Bildersuche: "Amazonasdelfin".
Der Rückweg hätte kitschiger kaum sein können... Mitten auf dem Amazonas sahen wir auf der einen Seite den aufgehenden Vollmond, eine riesige, orange Kugel und auf der anderen Seite die untergehende Sonne, die den Himmel in den verschiedensten Rottönen erleuchten ließ. Es wurde dunkel. Unser Weg wurde nur noch vom hellen Vollmond und tausenden, blinkenden Glühwürmchen erhellt. Um uns herum lautes Froschgequacke, wie wir es kennen, gemischt mit knackenden und klirrenden Lauten. Wir waren auf der Suche nach Kaimanen und mussten deshalb ganz leise sein. Wir sahen aber nur die reflektierenden Augen in der Dunkelheit. Alles schien so surreal.
Tag 3
Heute mussten wir für unser Mittagessen selbst sorgen. Wir gingen fischen... Piranhas! „Der See an dem wir Piranhas fischen, gehört zu einem anderen Stamm und die mögen keine Touristen.“ Sie denken, wir ziehen ihnen die Haut ab. Wirklich? Ist das wahr? Wie verrückt... Also bekamen wir von unserem Guide folgenden Rat „Don‘t show them an angry face“. Na gut, geht klar!
Mit einem langen Holzstecken, an dem eine Nylonschnur und ein Haken mit Fleischstückchen hing, zog Theresa gleich drei Piranhas aus dem Wasser, Roman einen. Für das Mittagessen ein bisschen zu wenig, aber immerhin. Auf dem Rückweg statteten wir dem Schwiegervater unseres Guides und seiner Familie noch einen kurzen Besuch ab. Für uns war es interessant zu sehen, wie minimalistisch, abgeschieden, aber dennoch glücklich und zufrieden hier gelebt wird. In einer Hütte aus Holz und Blech, ohne jeglichen Komfort leben hier viele Menschen auf engstem Raum. Insekten gibt es natürlich auch. Die Menschen hier freuen sich deshalb, wenn eine Kolonie Ameisen ins Haus kommt. Sie wissen genau, diese bleibt für 10 Minuten und befreit das Haus von allem Ungeziefer. Wir haben viele Geschichten gehört, wie sich die Natur hier gegenseitig unterstützt. Menschen, Tiere und Natur leben in Symbiose.
Nach dem „Piranha-Tasting“ (für mehr hat es leider nicht gereicht) und einem kurzen Schläfchen in der Hängematte wollten wir eine Amazonas-Riesenseerose oder auch Victorica Amazonica genannt, sehen. Natürlich wusste Raul wieder genau, wo sie zu finden war und führte uns zu einem kleinen, versteckten Tümpel. Ihre Blätter können ein Gewicht von bis zu 80 kg tragen. Die Blüte öffnet sich nachts komplett und schließt sich wieder, wenn es hell wird.
Wir dachten eigentlich, dass damit unser Ausflug enden würde, aber unser Guide hatte noch etwas ganz Besonderes mit uns vor. Mitten durch hohe Gräser und Gebüsch, vorbei an Rauls Dorf, über einen See – über den wir mit einem kleinen Holzkanu per Seilzug manövriert wurden, gelangten wir an einen großen See. Hier stiegen wir in ein kleines Holzkanu, dass maximal für drei Personen geeignet ist und aus dem vorher erstmal Wasser geschöpft werden musste. Vom Rand des Kanus bis zur Wasseroberfläche waren es gerade einmal 3 cm und immer wieder schwappte Wasser in unser Boot. Es war inzwischen schon fast dunkel und wir fragten uns, was wir hier im Dunkeln sehen würden. Raul paddelte uns vorsichtig durch knallgrüne Inseln aus verschiedenen Wasserpflanzen, in denen tausende Glühwürmchen funkelten. Mittlerweile war es komplett dunkel und außer lautem Froschgequake, wieder in unterschiedlichsten Tönen und Lauten, war nichts zu hören.
Es platschte im Wasser. „Big noise, big kaiman“, sagte unser Guide. Aha, deshalb waren wir also hier! Mit einer Taschenlampe suchte er nach den reflektierenden Augen der Kaimane, auf die wir dann ganz langsam und vorsichtig zufuhren. Wir waren angespannt, weil wir nie wussten, wie groß der Kaiman ist, der uns erwartete und wie er reagieren würde. Wir sahen insgesamt drei kleine, einen davon konnten wir uns ganz genau anschauen, er bewegte sich nicht. Zwischendurch zeigte uns Raul noch eine vollaufgeblühte Riesenseerose, die sich bis zum Morgen wieder ganz schließt. Wunderschön! Wir paddelten langsam wieder zurück ans Ufer. Ab 8/9 Uhr abends kommen wohl die großen Kaimane. Wir dürfen auf keinen Fall länger auf dem See bleiben, das sagte wohl der Schwiegervater zu unserem Guide. Wir blieben bis kurz vor halb 8 in unserem winzigen Holzkanu, aus dem Theresa mit einem Plastikbecher immer wieder Wasser schippen musste. Zum Glück bekamen wir die Nachricht mit den großen Kaimanen erst nach unserer Suche mitgeteilt....
Auf dem Rückweg streiften wir mit Taschenlampen durch den Dschungel, balancierten auf Baumstämmen über Tümpel und dann... Roman rutschte aus und landete komplett im Wasser. Wir wissen bis heute nicht genau, was darin alles lebte, aber wir wissen, dass in den Gewässern im Amazonas sicher nicht nur Goldfische schwimmen. Er zog sich wieder hoch und außer nasser Kleidung ist zum Glück nichts Schlimmeres passiert... Von da an gab uns Raul immer die Hand, wenn wir über Gewässer balancieren mussten.
Tag 4
Heute stand nichts Spezielles auf dem Programm. Wir marschierten einfach los und ließen uns überraschen, was Pachamama für uns bereithalten würde. Wir sahen direkt vor unserer Lodge ein Faultier, später kleine Affen, riesige Schneckenhäuser (schwierig einen Vergleich zu finden, sagen wir grapefruitgroß), Riesenameisen, Minifrösche und lernten viel über Naturheilkunde. Lauschten immer wieder in den Dschungel, um so unseren weiteren Weg zu bestimmen. Auf einmal blieb unser Guide abrupt stehen. „Seht ihr das?!“ Und wir sahen es!
Die zweitgrößte Schlange, die der Amazonas zu bieten hat. Eine Königsboa mit 4 Meter Länge! Nur eine Anakonda ist noch größer! Selbst Raul war völlig aus dem Häuschen, denn auch er bekommt diese Schlange und dann auch noch in dieser Größe, nur äußerst selten zu Gesicht. Das letzte Mal vor zwei Monaten und die war viel kleiner.
Sie lag einfach so da, mitten auf unserem Weg und wir konnten sie ganz genau aus nächster Nähe bestaunen. Irgendwann wurde es ihr zu viel, sie trat langsam den Rückzug an. Ganz langsam und elegant schlängelte sie sich davon und verschwand im Schlamm.
4 Tage sind wir durch den dichtesten Dschungel gestreift und haben Tiere in ihrem natürlichen Umfeld erlebt. Unser Guide Raul ist genau in diesem Dschungel im Amazonas aufgewachsen, kennt jeden Baum und weiß alles über Flora und Fauna. Er brachte uns auch in sein Dorf und stellte uns seiner Familie vor. Wir durften den Amazonas so erleben, wie er sein soll, wild und ungezähmt. 4 Tage im Amazonas. 4 Tage, die uns sprachlos machten. Wir sind sehr dankbar für diese Erfahrung.
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Teddy (Donnerstag, 25 Oktober 2018 21:15)
Was für eine unglaubliche, aufregende Geschichte; was für eine atemberaubende Natur. Allein vom Lesen bekommt man Gänsehaut und eine Ahnung von dieser Mutter Erde, wie sie überall war, bevor der technisierte Mensch kam.